Blicken wir in das kleine Schatzkästchen der gesammelten Arbeiten von Lena Lisken.Als Fremde ist sie nach Berlin gekommen, um die wild verstreuten Objekte einer bunten Schublade vor unseren Augen fein säuberlich zu sortieren. Dabei macht sie keine Unterschiede zwischen dem großen erhabenen Bauwerk oder dem kleinen alltäglichen Nutzgebäude. Die gefundenen Objekte werden zu einem Kleinod, wie die nach Hause getragenen Muscheln vom Strand, die erst daheim als Zitat einer Erinnerung ihren eigentlichen Wert entfalten. Es mögen heute Dinge aus Berlin sein, einige könnten auch aus einer anderen Stadt kommen, doch dann wäre es eine andere Schublade, die sie da vor uns entlädt, entstaubt, um ihre Fundstücke gereinigt und sauber aufgereiht zu präsentieren.Wenn wir auf alten Zeichnungen oder historischen Postkarten uns vertraute Szenerien und Plätze Berlins betrachten, fragen wir uns machmal unwillkürlich, warum sie so ganz anders auf uns wirken. Zu allererst sind es die fehlenden Autos, aber auch die vielen bunten Plakate, kleine Aufsteller und Aufkleber, wild wuchernde Werbung oder störende Fahrräder, die sich uns in den Weg stellen – der ganze Unrat des Alltags.Jetzt, in dieser speziellen Situation der Pandemie, werden die Dinge wieder frei gelegt. Diesen Blick der Freilegung hat Lena Lisken aufgegriffen und verstärkt. Die Stadt, die Objekte stehen beruhigt und mit zurück gewonnener Souveränität vor uns. Stolz behaupten sie nicht nur ihren solitären Stand, sondern dürfen auch ausstrahlen in den freien, tiefschwarzen Raum der Assoziationen den Lisken uns um sie herum zur Verfügung stellt. Wie nebenbei entpuppt auch Lena Lisken selbst sich als neue herausragende Gestalt auf der fotografischen Bühne. Lassen wir uns von ihren Bildern fesseln und davontragen.Man muss den übermalten Cupido hinter der Szene des Vermeer nicht kennen, um auch den Umraum und Hintergrund der fein ziselierten Objekte auf Lisken´s Bildern mit eigenen Geschichten zu umgarnen.
Tagree Magazine – May 2021